Das „Prickel“-Phänomen
Sammeln wir einmal ein: Konrad Adenauer, geboren am 5.1.1876, Köln, Umberto Eco, geboren am 5.1.1932, in Alessandra, Juan Carlos I., geboren am 5.1.1938 in Rom, Heinrich Schliemann, Aristoteles Onassis und Frank-Walter Steinmeier – geboren am 5.1.1956. Roman Herzog – ein etwas älterer deutscher Landesvater – ist dagegen am 5.4.1934 geboren – anderer Quadrant, aber auch gehörntes Tierkreiszeichen (ganz in der Nähe liegen Gerhard Schröder, 7.4. und auch Joschka Fischer, 12.4.). In der 5.4.-Gruppe befinden sich außerdem noch: Colin Powell, 1937 geboren, Irmgard Schwaetzer, 1942. Die Widder „stürmen“; während eine Jungfrau noch Jacken und Hausschlüssel einsammelt, ist der Widder bereits aus der Tür und dreht draußen schon mal die Steine um. Und während die Jungfrau die Umgebung auf Gefahren hin abtastet und zur „Warnerin“ wird, sind die Steinböcke die „Mahner“ – und manchmal auch die „Oberlehrer“.
An Steinböcken finden sich noch einige mehr in der deutschen Politiker-Riege ein: Helmut Schmidt, 23.12.1918, Hans Eichel, 24.12.1941, Guido Westerwelle, 27.12.1961, Mathias Platzeck, 29.12.1953, Wolfgang Gerhardt, 31.12.1943, Wolfgang Tiefensee, 4.1.1955, Peer Steinbrück, 10.1.1947, Frank Müntefering, 16.1.1940, Johannes Rau, 16.1.1931.
Was habe ich mit den Steinböcken zu schaffen? Und warum schaue ich mir Politiker an? Von ihnen haben wir im Moment eine kleine handverlesene Gruppe in der ersten Reihe stehen: Da sind Christian Lindner: 7.1.1979, Markus Söder, geboren am 5.1.1967 in Nürnberg, Steffi Lemke, am 19.1.1968, Boris Rhein, 2.1.1972, Monika Heinold, 30.12.1958, Peter Tschentscher, 20.1.1966 und – ja, auch sie – Ricarda Lang, am 17.1.1994. Allen gemeinsam ist – changierend vom einen Pol zum anderen – dass sie sehr wohl verantwortungsbewusst die „höhere“ Ordnung vertreten (wohl dem, der erkennt, welcher höheren Ordnung er da folgt), das Kompetenzniveau ist natürlich auch entscheidend, sprich, wie die angeeignete Bildung reflektiert wurde. Teilweise „erfrischend“ status- und karriereorientiert, beharrlich, Marathonläufer eben. Andernteils wiederum stur, verbockt, uneinsichtig, vor allem, wenn noch entsprechende Beigaben bereit liegen.
Zum Oberchef von Deutschland, dem 5.1. – „Prickel“ – Steinmeier. Den Namen soll er sich beim TuS 08 Brakelsiek verdient haben, Jugendfußball, und er die Allzweckwaffe gab, die man überall einsetzen konnte. In einem Artikel von 2010 finde ich einen Abschnitt, in dem er als einer beschrieben wird, der „klaglos“ auf allen Positionen habe spielen können. Rechts außen, links außen, ohne große Geniestreiche, zäh und verlässlich.[1] (Gerhard Schröder, wird ebenfalls in diesem Artikel erwähnt, habe als Fußballspieler den Beinamen „Acker“ verliehen bekommen: einer, der sich nach oben „ackert“.)
Der Sonnenstand des 5.1. ist ein 14°06‘ Steinbock im Jahr 1956. Ich schaue einmal in der Geburtstagsgruppe IV von Wolfgang Döbereiner nach. Für die Gruppe vom 5.1.-8.1. schreibt er:
In der Kindheit leistungsüberfordert, daher Tendenz, bei schwieriger Eigenentwicklung leistungsabhängig zu werden, mit starkem Drang zur Gemeinschaftsformierung.
Noch genauer im folgenden Text:
5. und 6. Januar
Ihr Geburtstag weist viel Ähnlichkeit mit den nachfolgenden Tagen auf; auch sie wurden in der Jugend leistungsmäßig durch zu früh aufgelastete Verantwortung und zu hohe Erwartungen der Eltern (Kompensation) überfordert. Durch diese Überbelastung besteht die Gefahr, dass mangelndes Eigenleben dazu zwingt, emsig und tätig sein zu müssen. Daraus entstehen Eigenschaften wie Aktivität, Tatkraft, Fleiß und Leistungsehrgeiz, dazu noch (wegen herabgesetzter Hinnahme) Gründlichkeit, Zuverlässigkeit, Geradlinigkeit, Beharrlichkeit (Starrheit) und (als Flucht nach vorn) Entschiedenheit des Auftretens. Bei der nach außen orientierten Aktivität und Betriebsamkeit besteht die Gefahr, dass eine aggressive Ordnungsliebe entsteht, die dann in einem gemeinschaftsformierenden Trieb auf die Umwelt übertragen wird. Dies geschieht dann, wenn man sich zu ihrem Hüter aufwirft und somit zur „Einmischung“ berechtigt fühlt. – Kennzeichen: Kompensation durch Umweltbelehrung[2]
Eine Geburtsstunde habe ich nicht, aber die Sonne am MC kann ebenfalls einiges verraten.
Der Sonnenverbund ist durch die Sonne im Steinbock mit Fische-Wassermann-Steinbock festgelegt. Im Auftaktzeichen Fische steht kein weiterer Planet, während der Neptun just in diesem Geburtsmonat in den Skorpion eingetreten ist. Das Jahr 1956 wird über die Person hinaus einen Paradigmenwechsel mit sich bringen. Neptun in Skorpion wird sich mit ererbten Erfahrungen auseinander zu setzen haben. Im Skorpion liegen die Bilder bzw. Gestalten all dessen, was aus dem Prinzip für das Leben an die Gegenwart angeliefert, und von dort an die Lebens- und Daseinsform an „Wirkung“ weitergegeben wird. Neptun hat im Skorpion die Aufgabe, an Ort und Stelle die Einhaltung der ursprünglichen und zur Bestimmung gewordenen Lebensgestalt in Unabhängigkeit vom Vordergründigen zu gewährleisten. Das ist wie ein Abgleich: Original und Matrize – scheint das anfängliche Prinzip noch durch? Allerdings: Von Fische zu Skorpion sind drei Stufen zu nehmen: aus dem Ungetrennten, Ungeteilten wird ein Sprung in Raum und Zeit nötig. Es entscheidet sich, was an Erscheinung in den Raum, und was als Anweisung zur Bestimmung in die Zeit kommt. Im Steinbock wird dem Geschöpften die „Stimme“ beigegeben – du seist bestimmt zu… – was einer Festlegung entspricht, der im Realen analog eine Ausübungsanlage beigegeben ist. Nunmehr wird „gefügt“. D.h. zunächst werden die „Bestandteile“ zu einer „Landschaft“ vereinheitlicht, nicht wild durcheinander, sondern jedes Teil wird dorthin gesetzt, wo es „hingehört“, so dass das „Wirkliche“ aus dem IV. Quadranten sein Abbild erhält. Von hier aus geht es in den Skorpion, der, wie Wolfgang Döbereiner immer sagte, der TÜV ist. Er ist der Prüfer, nicht Neptun. Doch Neptun – wie gesagt – wenn er in den Skorpion tritt, ist zuständig dafür, dass das Entstandene und Gewachsene nicht missbräuchlich verwendet, dass es nicht veruntreut wird. Nun ist Neptun potentiell, sobald er sich außerhalb seines Zuständigkeitsbereiches aufhält, anfällig. Im Skorpion kann er „zersetzend“ wirken – er täuscht sich über die vielleicht harten Bewertungen von Skorpion, wenn der das Prinzip unterlaufen sieht und die Auslieferung an die Waage nicht freigibt, schmuggelt sich durch, mogelt, greift in die „Prüfungsabläufe“ ein, will nicht wahrhaben. Das tut er allerdings so langsam, dass es im Bewusstsein der lebenden und agierenden Menschen nicht auftaucht, der „Gewöhnungsfaktor“ ist groß.
Ich denke da gerade an die „Kinderwunschzentren“, in denen kinderlose, aber sich Kinder wünschende Frauen alle Hebel in Bewegung setzen lassen, damit sie schwanger werden. Es wird seinen Grund haben, warum „Paare“ miteinander keine Kinder zeugen können – der wird aber weder gesucht noch erkannt noch respektiert und die Medizin hat Mittel und Wege gefunden, „Kinder“ gegen alle Widerstände zu ermöglichen. Neptun in Skorpion war die Zeit, in der genau diese Themen der Genetik, des Herumdokterns in den Erbanlagen aktuell wurden, was dann mit Pluto im Skorpion neue Früchte erbrachte.
Dieser Neptun schließt sich im Falle unseres Mannes mit dem Uranus in gespannter Weise zusammen: Der Uranus aus dem Wassermann steht exakt im Quadrat zu Neptun. Dazu weiter unten. Der nächste wichtige Wechsel: Uranus ist aus dem Zeichen Krebs in den Löwen gewechselt. Während Neptun der „Auflöser“ bzw. der sanfte Dränger auf die Wahrheit ist, ist Uranus ein jäher Polterer. In den Jahren durch den Krebs hat er Themen wie das „Heimatliche“ und sein Selbstverständnis zu revolutionieren versucht. Der Erneuerer hält nichts von traditionellen und normierten Gesetzen, im Krebs wurden mithin der Umgang mit dem „Finden in sich selbst“, der Identität mit dem Wesentlichen einer neuen, gerechter scheinenden „Seinsquelle“ zugeführt. Uranus ist ein „Gleichmacher“; das Subjektive als Wesen ist immer der Einzelne (als Land, als Nationalstaat) mit Grenzen zum Außen hin. Hier drinnen ich, da draußen die Welt. Von Wesenheit zu Wesenheit bestehen Unterschiede. Das ist das Individuum, wie es die Psychologie wohl bezeichnet. „Wir sind alle verschieden.“ – Und es ist die Verschiedenheit, die zur Identifikation mit sich selbst führt. Mit Uranus durch den Krebs hat sich da einiges gewandelt. Der Seelenvogel ist aufgestiegen. Nun wird Uranus durch den Löwen laufen. Negativ ausgedrückt: Wenn du nicht mehr unterscheidbar sein darfst, dann bist du auch nicht mehr Souverän (d.h. König und Königin) in deinem Lebensausdruck. Sonne-Uranus ist eine Schwächung des Lebens aus sich selbst heraus, es ist eine Enteignung aus dem Subjektiven. Ja, man hat versucht, uns weiszumachen, dass „subjektiv“ etwas sei, das wir hinter uns zu lassen hätten. Uranus ist ein „Spalter“ – das geschlossene Selbstverständnis wird aufgebrochen, die Dualität aufgehoben, unvermittelt ist das Subjekt ohne „schützende“ Haut, das ist bedrohlich. Wer kann schon immer überpersönlich sein? – Wie lebt es sich, wenn man immer die „Allwelt“ im Privatesten mitleben muss? – Geozentrisch gegen heliozentrisch. Auf der Erde stehend, ist die Erde, der Fleck Erde, auf dem ich stehe, mein Boden. Die Astrologie ist geozentrisch. In der Übernahme der heliozentrischen Sicht haben wir den Ursprung verloren – bzw. die Sonne hat sich nun allmächtig gewähnt, um der bedrohenden Schwäche zu entgehen. Bei Uranus durch den Löwen wird die Zeitlichkeit des Daseins im Endlichen angesprochen. Akzeptieren wir die Endlichkeit nicht, muss die Unendlichkeit angestrebt werden. Ich denke, mit dem Durchlauf von Uranus durch den Löwen ging u.a. das Verständnis für das Sterben und den Tod verloren. Wer aber den Tod nicht mehr in sein Leben lässt, muss dafür sorgen, dass immer Neues und Fortschrittlicheres gefunden wird, um den Tod hinauszuzögern, auch wenn das Leben damit entleert ist.
Im Horoskop unseres Mannes verbinden sich also Neptun und Uranus – der Zersetzende und der Explosionen Fördernde – der so Geborene wird eine (wahre) Erkenntnis in sich hochsteigen spüren, die ihn erschrecken wird. Da wir keine Geburtsstunde haben, ist nicht klar, wo in ihm dies geschehen wird: körperlich in Quadrant I, oder seelisch in Quadrant II? Mulmige Ahnung dies – vermutlich lässt er sie nicht zu und spaltet seinerseits – völlig unbewusst – eines der beiden Prinzipien ab. Auf wessen Seite wird er sich wohl stellen? Im Wassermann selbst stehen noch die Venus und auch Merkur. Merkur hat dabei Kontakt zu Neptun wie auch Uranus, die Venus steht unangebunden und unangefochten auf 15° Wassermann, eine ziemliche Anhöhe, auf der sie da steht.
Als Venus aus dem Stier ist diese Position allerdings ebenso eine Verunsicherung: die Selbstsicherung in der „Allwelt“, einer Welt der Gleichheit, einer Welt in der Zukunft (wie Neptun/Fische eben den Blick ins Vergangene kennzeichnet) ist entsichert, die Grenzen sind offen. (Kühe im Weltraum, fällt mir da ein, lachen Sie nicht.) Aus der Waage ist die Venus mit einem Mond angefüllt, der sich an die Sicherung anhängt, und nun ebenfalls entsichert wird. Die abgeschlossene Aufhebungsarbeit des Uranus beim Lauf durch den Krebs, nun das entkoppelte Empfinden, noch an Partner gebunden und auf Ergänzung hoffend, das mit diesem zusammen an der Idee der neuen Gesellschaft eingeht. Ach nein, in die Idee der neuen Gesellschaft – muss es heißen.
Wassermann hat als das „Durchführungszeichen“ in diesem Verbund großes Gewicht: Merkur ist sowohl aus den Zwillingen wie auch der Jungfrau ein sachliches Ausführungsinstrument, anfällig wiederum für Vorgänge. Merkur-Uranus: die (nachvollziehbare, wiederholbare) Methode der sog. Wissenschaftlichkeit („bleib sauber“ – bei allem „Schrägen“, was Merkur-Uranus noch bedeuten kann, bis hin zu irrationalen und widersprüchlichen Positionen), die Darstellung der Machbarkeit und „Umsetzung“ von Visionen, in diesem Fall ist Merkur über die Jungfrau Jupiter-Pluto-haltig. Pluto wieder rückläufig auf 28° Löwe, aber Jupiter gerade in die Jungfrau eingetreten. Die Vorstellung davon, wie die Lebensform in verwertbare Rechtsprechung gebracht werden kann. Jupiter wird in den Monaten seines Durchlaufs durch die Jungfrau – wie es seine Art ist – die (von Saturn) vorgelegten Gesetze zu einer vernünftigen und gleichzeitig „einsichtigen“ Handhabe im Sinne der Rechtsausübung fügen. Merkur – s.o. – macht dies zur „Wissenschaft“. Zum Schluss noch: Jupiter und Pluto – es wird etwas zusammengefügt, das eigentlich nicht zusammenpasst und bald wieder auseinanderfällt (oh, am 12.11.2020 erlebten wir eine Jupiter-Pluto-Konjunktion im Steinbock – und es wurde auf Schloss Bellevue ein Feierliches Gelöbnis zum 65. Gründungstag der Bundeswehr gesprochen. Die Rede kann man hier einsehen. – Es war Hochzeit der Pandemie.)
Wir haben einen Jupiter, der sich im Nachwege der Aufhebung der Lebensform um eben die Rechte jener Lebensform in ihrer Aussteuerung kümmert und sich dazu aus den „Akten“ des Skorpion bedient. Kommen wir zum Endzeichen Steinbock. Jetzt wird sich zeigen, auf welchem Boden die Vorstufen „sich niederlassen“. Da steht zunächst eine Sonne, die sich mit dem Mond (der nicht mehr recht bei sich ist) in die Quere kommt, und nun für Gesetzmäßigkeiten im Leben zuständig wird. Mond in der Waage – da fällt zunächst ein: Er ist auf Harmonie aus, er sucht die Ergänzung, in der er sich dann wiederum selbst findet. In der Begegnung und im Öffentlichen sein Inneres finden – irgendwo habe ich gelesen, dass Menschen an diesem „öffentlichen Selbst“ leicht schon einmal zerbrechen. Man muss es schützen. Die Sonne ist allerdings der Vertreter des „Gesellschaftsvertrages“, und/oder sie trägt den Staat. Ein Einzelner vertritt die Ordnung. Doch was macht einen Steinbock (nicht den Menschen, sondern das Tierkreiszeichen) zum „Staat“? – Wolfgang Döbereiner formulierte so: Staat ist die Erscheinung der Ausübung des Gemeinschaftlichen. Darin steckt viel Stier, das Gemeinschaftliche mit seinen Institutionen und dem Sozialen. Der Einzelne gilt im Staat nämlich gar nichts, er gibt stattdessen sein Dasein ab, und erhält damit eine Berechtigung, sich am Vorgang zu beteiligen. Er darf Steuern bezahlen, mit denen wiederum der Staat sich am Laufen hält. Im Staat wird das Dasein jedes Einzelnen verbraucht, und jeder so seiner Bestimmung Enthobene meint auch noch, es wäre eine tolle Errungenschaft, dass der Staat Bürgergeld verteilt oder Subventionen aus dem Hut zaubert. Sonne in Steinbock könnte ganz ohne Staat seine Selbstführerschaft zur Meisterschaft bringen: Ausdruck der Demut, einem höheren Gesetz „dienen“ zu können und damit zur Selbstbestimmung zu kommen. Sonne in Steinbock kann über mehrere Stationen gesehen zum Pluto in Steinbock mutieren und damit die Gefährdung zu einer ideologischen Gefangennahme anzeigen.
Der Saturn steht mit Mars zusammen im Skorpion. Ein widerstandsorientiertes Kämpfen gegen die Gegebenheiten des Prinzips in seiner Einhaltung bzw. Überprüfung. Saturn im Skorpion verträgt sich bestenfalls in „Arbeitsteilung“:
Saturn (Hüter der Wirklichkeit) sagt zu Pluto: Ich unterstütze dich dabei, kollektive Erfahrungen, die in dir gebunden sind, höheren Bestimmungen zuzuführen, indem ich sie auf Wahrheit prüfe und Unwahres nicht bestimmend werden lasse.
Außerdem besteht ein Saturn-Pluto-Quadrat:
Pluto (Wächter der Erfahrung) sagt zu Saturn: Ich unterstütze dich dabei, die Maßstäbe des Wirklichen zum verbindlichen Konzept zu machen, indem ich Überkommenes transformiere.
Die beiden haben ordentlich miteinander zu tun – es kann auch eine „feindliche Übernahme“ daraus werden. Da glaubt der eine, die Macht des anderen unter seine Kontrolle bringen zu müssen. Die Verführung durch eine eingegangene Legitimation in einer höheren Position kann korrumpieren, und zu einer Unterwerfung unter eine Struktur führen, die nicht im Sinne des Prinzips ist. Und nun steht Mars dabei. Der mag es gar nicht, wenn die „Erwachsenen“ sich über seinen Kopf hinweg unterhalten, er will mitmischen und seinen Willen durchsetzen – und er greift nicht nur den Saturn an, sondern auch Jupiter, und genau dort kann er „durchbrechen“ – in den Zeichen, die im II. Quadranten stehen: Er kann auf eine Mission des Rechtstaatlichen gehen. Als Mars-Jupiter kann er etwas ausrichten, kann die Vorstellung vom Recht beugen und nimmt sich dabei Saturn als „Trumpf“ mit. Ein selbstdurchsetzerischer Mars spielt bei den Großen mit – und er hat „Angst vor dem Bösen“: Mars im Quadrat zu Pluto. Das Böse als das, was nicht gelebt werden darf, bedient sich der Fassade des Bürgerlichen, um dahinter sein Verdrängtes zu verstecken. Das Verdrängte ist das nicht-gehabte Ereignis, das sich im Illegitimen befriedigt.
Bei Mars-Pluto besteht ein Missverhältnis zwischen Kind und Verband. Es wird für rechtlos erklärt und von den anderen Mitgliedern verfolgt und „getötet“. Im Kind entsteht Panik, die es fliehen lässt; bleibt es im Verband, übernimmt es die Feindschaft gegen sich selbst und verhindert, zerstört alles, was entstehen könnte. Mars-Pluto wird Zeichen des (matriarchalischen) Kollektivs und muss in diesem untergehen. Die Konstellation kann mit brachialer Gewalt und der Zerstörung der Form einhergehen, sofern sie gegen das Prinzip steht, und Mars zum Rächer des veruntreuten Neptun geworden ist. Mars-Pluto ist der Austreiber des Verdrängten.
Genau diesen Mars-Pluto hat dieser Mann in seiner Rede vom 10.8.2023 im Alten Schloss auf Herrenchiemsee bei den Feiern zum 75. Jahrestag des Verfassungskonvents sprechen lassen, als er „eindringlich zur Wahrung der Demokratie“ aufrief, und die Verächter dieser Demokratie in die Schranken verweisen zu müssen meinte. Wen hat er denn da bloß gemeint? Möglicherweise sich selbst (nennt sich dann „Projektion“)?
Ich habe einige Passagen aus der Rede herausgefischt, damit die Leser einen Eindruck vom Ton und von der Argumentationsführung bekommen. Die gesamte Rede gibt es in einem PDF.[3]
[…] Die Formulierung des ersten Artikels ihres Entwurfs lautete deswegen: „Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen.“ Das ist die tiefe Grundüberzeugung, die hinter dem ganzen Entwurf von Herrenchiemsee steckt. Mancher hat bedauert, dass diese Formulierung nicht auch ins Grundgesetz übernommen worden ist. Aber der ganze Entwurf von Herrenchiemsee und auch das später beschlossene Grundgesetz sind zutiefst von dem geprägt, was mit diesem Satz ausgedrückt ist: Der Staat ist um des Menschen willen da. […] Erst der Mensch, dann der Staat! Was im ersten Satz von Herrenchiemsee gemeint war und dort im zweiten Satz, „die Würde der menschlichen Persönlichkeit ist unantastbar“, noch verstärkt wurde, das wird in der endgültigen Version des Grundgesetzes eher noch deutlicher und noch entschiedener zum Ausdruck gebracht: Das Grundgesetz spricht ja zuerst vom Menschen selbst – „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ – und erst im zweiten Satz vom Staat: von dessen Verpflichtung, diese Würde zu achten und zu schützen. Das ist in ihrer Kürze und Prägnanz die wohl deutlichste Absage an alles, was vorher an Unmenschlichem in und durch den Staat geschehen war. […]
Und wer 1948, zur Zeit von Herrenchiemsee, um die 18 Jahre alt war, also der Generation Zukunft angehörte, der hatte zeit seines bewussten Lebens praktisch nur in der Diktatur gelebt, in der Schule, in der Öffentlichkeit nichts anderes gehört und gelesen und gesehen als die Propaganda des Totalitarismus. Da ist es im Nachhinein immer noch erstaunlich, dass aus der Bundesrepublik alles in allem ein Gemeinwesen geworden ist, das Freiheit und Demokratie, das faire parlamentarische und öffentliche Auseinandersetzung zwar erst noch ein wenig üben musste, aber die Spielregeln rasch begriffen hat. Zunächst in Westdeutschland, seit nunmehr 33 Jahren in ganz Deutschland. Auch daran sollten wir heute erinnern: Der Konvent von Herrenchiemsee und das Grundgesetz waren von Beginn in gesamtdeutscher Perspektive geschrieben. […]
[…] Ein Gemeinwesen prägt mit seiner Verfassung die Bürgerinnen und Bürger. Sie müssen sie aber auch leben, und indem sie sie leben, diese Verfassung verteidigen. Unser Grundgesetz verträgt harte und härteste Auseinandersetzung. Verfassungsfeinde jedoch kann die Verfassung nicht integrieren – und wir dürfen die Gefahr, die von ihnen ausgeht, nicht ignorieren. Politische Gegnerschaft ist eines, Verfassungsfeindlichkeit etwas ganz anderes. Verfassungsfeinde wollen ihre politischen Gegner vernichten, ihr Ziel ist Herrschaft ohne Widerspruch, und das ist nicht die Demokratie des Grundgesetzes. Im Kampf gegen den Extremismus gibt es eine historische Lehre, die sich wie ein roter Faden durch den Verfassungsentwurf von Herrenchiemsee zieht und die bis heute gilt: Eine Demokratie muss wehrhaft sein gegenüber ihren Feinden. Niemals wieder sollen demokratische Freiheitsrechte missbraucht werden, um Freiheit und Demokratie abzuschaffen. […] Erinnern wir uns daran, dass unsere Demokratie im Schatten von Diktatur, Krieg und Völkermord entstand. Und erkennen wir, was heute für unsere Demokratie auf dem Spiel steht. Wir alle haben es in der Hand, die Verächter unserer Demokratie in die Schranken zu weisen. Und wir alle, jede Politikerin und jeder Politiker, aber eben auch jede Bürgerin und jeder Bürger, wir alle haben eine gemeinsame Verantwortung für unsere Demokratie. Wir müssen sie schützen! Kein mündiger Wähler kann sich auf mildernde Umstände herausreden, wenn er sehenden Auges politische Kräfte stärkt, die zur Verrohung unserer Gesellschaft und zur Aushöhlung der freiheitlichen Demokratie beitragen.
Man möge sich bitte weitere Reden und Aussagen des Bundespräsidenten anschauen, dabei auch in die Jahre 2020/2021 zurückgehen… Den zweiten 5.1.-Kandidaten auf dem Festakt könnte ich nun auch noch hier untersuchen – vielleicht mache ich das später. Die Worte von Frank-Walter Steinmeier haben jedenfalls „eingeschlagen“ – bei den Demokratie-Verteidigern und bei jenen, die hinter die lupenreinen Demokratie-Fassaden schauen. Schauen Sie sich die Lebensläufe der beiden Männer an, dann ahnen Sie, wer welchem Leitstern folgt und wo die Männer vorzeitig oder auch zu spät abgebogen sind. Jeder ist auf seine Weise deutlicher Repräsentant der Zeitqualität, die wir an ihnen verstehen können.
1. Alles, was auf zwei Beinen geht, ist ein Feind.
2. Alles, was auf vier Beinen geht oder Flügel hat, ist ein Freund.
3. Kein Tier soll Kleider tragen.
4. Kein Tier soll in einem Bett schlafen.
5. Kein Tier soll Alkohol trinken.
6. Kein Tier soll ein anderes Tier töten.
7. Alle Tiere sind gleich.1. Whatever goes upon two legs is an enemy.
2. Whatever goes upon four legs, or has wings, is a friend.
3. No animal shall wear clothes.
4. No animal shall sleep in a bed.
5. No animal shall drink alcohol.
6. No animal shall kill any other animal.
7. All animals are equal.George Orwell, Die Farm der Tiere
[1] https://www.sueddeutsche.de/politik/frank-walter-steinmeier-sie-nannten-ihn-prickel-1.695397
[2] Wolfgang Döbereiner: Horoskop für jeden Tag
[3] https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Downloads/DE/Reden/2023/08/230810-Herrenchiemsee-75-Jahre.pdf?__blob=publicationFile