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ASTROLOGISCHE FRAGMENTE VII

Jeder glückliche Raum ist Kind oder Enkel von Trennung.
(R.M. Rilke)

Musik – mehr als ein akustisches Klangerlebnis

Lust auf eine Etappen-Reise durch Ausschnitte von Neptuns Musik-Welt wie sie sich auch zeigen kann, mit Zwischenhalten bei Sufis, Mystik, Trance und Drogen? Ent-Würfe.

Wozu hören wir Musik? Musik kann man sich sammelnd genießen, zu sich kommend. Oder hören und sich stören, sich körperlich und seelisch abreagieren, sich austoben, sich zerstreuen. Oder hören und wegfliegen und alles vergessen oder dableiben und wach werden. Oder Türen zuknallen. Noch mehr, was Musik vermag und soll? Und überhaupt: Was ist Musik? – Klar und nahezu trivial: „DIE“ eine Musik gibt es nicht.

Schon als Kind habe ich Musik „eingeworfen“ wie andere Leute Drogen. Korrigiere: ich habe mich in sie hineingesetzt, sie war und ist mir Medium, in andere Welten zu gelangen und meinen Körper zurückzulassen ODER – Gegenrichtung – in ihn hineinzutauchen. Wenn ich zurückkehre, habe ich meistens etwas (mit mir und in mir) geklärt oder erfahren oder mir/in mich ist etwas eingefallen. Anmerkung: Musikhören und Berieselung beim Kochen und Arbeiten im Haushalt, beim Einkaufen bedarf eines eigenen Essays.

Mich hat wenig gekümmert, wer die Musik „gemacht“ und gespielt hat, auch nicht, welcher Art  – also im Sinne von Zuordnung zu Genres – sie war. Was sie aber unbedingt haben musste, waren Melodie und Rhythmus. Und möglichst wenig Misstöne oder Dissonanzen, und wenn – dann wollte ich sie auflösen. Musik lässt Geschichten in mir entstehen, die kann und konnte ich herausziehen – dabei hörte und höre ich paradoxerweise sogar das Dissonante (als Thema, Katastrophe, Tragödie, Satire), das ich ja nicht mag – ohne dass es ausgedrückt wurde – heraus. Ausgedrückte, ausgewälzte, wie Kaugummi gezogene, quälende, masochistische Dissonanzen sind mir zu aufdringlich vordergründig, und wahrscheinlich weiß jeder, der „nah am Wasser gebaut“ hat, um die verletzliche Ganzheit, um die Verbundenheit mit allem, auch dem Unausgesprochenen, die ich hier meine. Jeder Ton zuviel stört.

Vorausgeschickt: Meine Ahnung vom Handwerk des Musikmachens wie auch von wissenschaftlich-technischen Gebieten wie Akustik hat sich nach wie vor nicht vervollkommnet und in der Verwendung von Fachbegriffen niedergelassen. – Das Konzert, von dem ich meine Impressionen mitbringe und auf das ich weiter unten eingehe, hatte ich mir in einem Anflug von Nostalgie geleistet – teure Eintrittskarten, weil im Parkett und ziemlich weit vorne. Ich – unter vielen anderen – erlebte eine Licht- und Klangshow der lauten, sehr bunten Art. Meine Eindrücke dazu können vielleicht einige bestätigen, andere nicht.

Die Musik, von der ich erzählen werde, geht aus einer inzwischen auch schon wieder fast 50 Jahre auf dem Buckel habenden Musikrichtung hervor, die unter anderem der Kategorie „Meditative Musik“ zugeordnet wird, was meiner Einschätzung nach nicht ganz stimmt. Wenn man sich allerdings auf sie einlässt, den Kopf abschaltet, kann sie – vielleicht nicht wie LSD oder Kokain (mit deren Konsum ich keine Erfahrung aufweisen kann) – so aber doch Trunkenheit bewirken. Soll sie ja auch.  – Musik kann Droge sein – und diese hier scheint Ähnlichkeit mit einer Uranus-Droge zu haben. Neptun gerade eben noch in sich tragend, der dabei ist, ein Pluto zu werden. Oder schon geworden ist. Solcherlei geht mir, im grün-rot-blauen Glühbirnenmeer sitzend, durch den Kopf.

Anlass für mich, mir auf dem Nachhauseweg Gedanken zu machen. Was also ist Musik abgesehen von Schall, Frequenz und Klang? Ist sie neptunhaft? Jupiterhaft? … Ich werde verschiedene Weisen musiktrunken zu werden anschauen, die ganz verschiedenen Beweg- und die Hintergründe dazu und die Ziele, die man erreichen kann. Mal schauen, wo es mich hinträgt. Vorübergehend zur Ernsten Musik und deren Komponisten, über die ich seit etwa zwei Jahren immer wieder einmal schreibe.

Die Verbindung mit und die Trennung vom Grenzenlosen

Beobachtungen. Nie habe ich in Konzerten von z.B. Bruckner- oder Vaughan-Williams-Sinfonien erlebt, dass Menschen sich zuckend und wippend in den Stühlen bewegten. Ernste Musik (oder auf Deutsch „Klassische Musik“ – ist eine so ernste Sache, dass die Hörer in deutschen Konzertsälen in beinahe trappistischer Askese still auf den Plätzen verharren und nichts von der Wirkung der aufgenommenen Klänge auf ihr Inneres nach draußen dringen lassen. – Es sitzen auch überwiegend 70+-Menschen in den Reihen, Jüngere kann man an zwei Händen, na gut, vier Händen abzählen.

Das Stillsitzen und Insichgehen ist einerseits der Konvention, andererseits der Resonanzebene geschuldet, die Konzerte dieser Art im Hörer ansprechen … eine mehr sprachlich-formale Ebene. Meine Wahrnehmung kann mich täuschen – oder die Konstellationen, die ich trage: mir erscheint hier viel saturnisches Maß, saturnische Abfolge als Klammer und Gerüst. Wer vor dem Ende eines Satzes klatscht oder hustet, erntet strafende Blicke. … Gehen wir davon aus, dass Musik an sich neptunhaft ist (was ich noch weiter beschreiben werde), dann haben wir es in deutschen Konzertsälen mit Stätten einer Art „Weihe des Hauses“ zu tun: Ein Saturn-Uranus geistet über dem Meer und die nicht gehabte Revolte? Es wird vieles hineingeheiligt. Nicht zu übersehen ist, dass das Fließende mit dem flüchtigen Charakter in Zeiten entstand, in denen Aufnahmemedien von heute nicht zur Verfügung standen. Festgehalten wurde das Fließende in Partituren auf Papier. Das Speichermedium also ein stummer, dafür visueller Tonträger. Das Schreiben von Partituren eine Kunst für sich und doch auch ein Handwerk, worauf auch Paul Hindemith hinweist, selbst wenn es im folgenden Zitat ohne Kontext anders klingen mag.

„Das künstlerische Schaffen ist aristokratisch, weil es stets das Vorrecht einer kleinen Anzahl Menschen sein wird. Könnte es demokratisiert werden, verlöre es seine künstlerische Qualität, sänke zu einem Handwerk ab und endete als Industrie.“ Paul Hindemith (1895-1963)

Das Saturnprinzp mit Zurückhaltung, Ordnung, Ausdauer und Disziplin, das sich durch Maßgebung und dem Wirklichen verpflichtet kennzeichnet, das geeignet ist, ‚luftige‘ Geister zu erden, zu sammeln, wechselt sich durchaus mit dem Jupiterhaften ab – und da entsteht in der Kombination mit Neptun ein lyrisches Jubeln, ein Emporstreben zu Größerem – Ode an die Freude in Beethovens 9. Sinfonie vertont, oder Wagners imposante Klänge, aber auch bei Sibelius in seinen Sonnenaufgängen, wenn er als Reiter aus dem Wald hervorbricht. Jupiter – der Vorgänger von Neptun auf dem Fische-Herrschaftsstuhl. Doch das Jupiterhafte, gerade das Jupiterhafte, zeichnet sich in der Aneinanderfügung, der Zusammenfügung aus.

Im Summen hat sich ein Gefühl so in uns gesteigert, dass es den Raum in uns in Schwingung versetzt. Die Steigerung des Summens in größere Gestaltung hinein wird zum Singen. Der in Schwingung geratene Raum tönt, wird Klang. Dort, wo die gestaltete Ordnung ihr bestimmtes Maß erreicht, wird es dem Menschen hörbar als Musik, erreicht es sein Herz. (S. 88, Flüe)

Das singende Herz des Menschen und die Erfahrung des schwingenden Raumes als Klang und Musik. Die Urphänomene des Neptunischen: das Allmähliche und Unmerkliche, die Näherung und das leise Eindringen. Neptunhaft ist das Verborgene und Entrückte: das Sichtbare ist ins Unsichtbare verwandelt. Hörbar, aber nicht sichtbar.

Fügt man nun dem unsichtbaren, hörbaren Verborgenen Bilder und Lichter, die das Entrückte visualisieren, hinzu – entspricht dies einem Eintauchen in eine neue Dimension: in die des Uranischen. Visualisierte Musik entreißt das Verborgene seinem unsichtbaren Wirkraum und wirft es in die Erscheinung. Das ist das Eine.

Die Kräfte des Uranischen sprechen anderes an. Die Komponisten bzw. Musiker der elektronischen Musik – vor allem die, die ich im Folgenden meine – scheinen es geradezu darauf anzulegen, die Wirkung am Hörer sichtbar zu machen. Anders als die sprechende, der Sprache und ihren Ausdrucksmitteln zugeneigte E-Musik ist die malende Musik „tanzbar“. An von Stromschlägen hervorgerufene Veitstänze (Chorea minor ist eine neurologische Erkrankung mit unkontrollierbaren, blitzartig ausfahrenden Bewegungen) denke ich da doch unwillkürlich. Gut gemachte und choreographierte Klänge veranlassen den Hörer, quasi den ‚Fühler‘, sich in der Bewegung geradezu verausgaben zu wollen. Ich bekenne: auch ich habe meinen Uranus – wie ich damals meinte – damit herausgeschüttelt, dass ich in Diskotheken dem klanglichen Sog der elektronischen Musik nachgab.

Wassermann und Uranus – Land der Distanz und Trennung, des Jähen und Unvorhersagbaren, der Schärfe und der Kälte. In den Diskotheken der Welt, in den (am einen Pol!) sauberen, aseptischen Klangwelten der Moderne, beleuchtet von flackernden Farben, von in Zerrspiegeln zersprungenen Lichtern, verlieren die, die sich hierin bewegen, ihre Gegenwärtigkeit, fallen aus der Zeitlichkeit.

Wohin fallen sie? Sie fallen in Trance. Doch: Fallen sie in sich hinein (Meditation) oder aus sich heraus (Ekstase)? Wir bewegen uns mithin an der Grenze zwischen neptunischen (vereinen und finden) und uranischen (trennen und verlassen) Zuständen. (Den plutonischen (ausschließen und kontrollieren) Hypnose-Zustand bespreche ich zu anderer Zeit.)

Trance (das Wort kommt von trans-ire: hinübergehen, überschreiten) ist ein Zustand, bei dem jemand zwar nicht ohnmächtig ist, aber dennoch kein klares Bewusstsein hat und seine Umwelt nicht oder nicht genau wahrnimmt, ja, sogar viel daransetzt, sie auszuschalten. Trance – anders formuliert – ist ein „veränderter Bewusstseinszustand mit einem intensiven mentalen Erleben, der sich durch eine hochfokussierte Konzentration auf einen einzelnen Vorgang bei gleichzeitig sehr tiefer Entspannung und unter Ausschaltung des logisch-reflektierenden Verstandes beschreiben lässt“.

Soweit eine offizielle Definition. – Von der Ausschaltung des Hirns als Wohnort des Verstandes wird noch die Rede sein, ebenso wie von der Rolle, die der Sympathikus dabei spielt.

Exkurs

In der Musikbranche bezeichnet Trance eine eigene elektronische Kategorie. Die hat sich Anfang der 90er Jahre ausgefällt und lässt sich in harmonisch entsprechenden Akkorden und Melodien – wir hören lange beruhigende und atmosphärische Klangteppiche – nieder. Alltägliche Körperfunktionen eines Menschen laufen bei 72 Herzschlägen pro Minute ab. Erhöht sich die Frequenz (über 72 Schlägen pro Minute) (durch Musik oder körperliche Anstrengung oder einen Schreck) putscht uns das auf aufputschend, verringert sich die Frequenz (auf unter 72), beruhigt uns das. Erstaunlicherweise, und im Widerspruch zur bescheinigten beruhigenden Wirkung, wird das Tempo der Kategorie Trance an anderer Stelle mit 128–155 Schlägen pro Minute angegeben. Hip Hop, Rap oder Trip Hop – zum Vergleich – liegen bei 60-110 Schlägen pro Minute. Hörtipp gefällig? Donna Summer: I feel love; Andy Moor/Adam White: White room.

Meditation (Kontemplation) oder Ekstase? Worum geht es denn nun? Ekstatische Trancen (hören wir vor allem im Zusammenhang mit Schamanismus) gibt es in fast 90% aller menschlichen Kulturen. Es sind dort spirituelle Trancen und sie bringen „echt“ wirkende, bildhafte Halluzinationen hervor, die mittels verschiedener Techniken absichtlich herbeigeführt werden. In nicht wenigen Kulturen konsumiert man dazu außerdem entsprechende Drogen (die Natur hält da einiges bereit). Trance als Mittel, spirituell-mystisch oder beschwörend-magisch (plutonisch) mit Gott, Geistern oder anderen Wesen oder mythischen Orten in Verbindung zu treten. In der Trance sollen Botschaften oder Erkenntnisse, zur Lösung weltlicher Probleme, hervorgerufen werden.

Vorläufig: Es finden sich festgelegte rituelle Körperhaltungen und -bewegungen in Verbindung, aber auch ohne, mit sich ständig wiederholenden, rhythmischen Trommelklängen. – Tanz also und Musik in Form von Summen oder Singen. Das wirkt hypnotisch. Immer noch ist nicht klar, welche der zwei entgegengesetzten Richtungen gemeint ist. Die, die in sich selbst hineinführt, oder die andere aus sich selbst hinaus?

Spirituell? Mystisch? Arbeitshypothese: Die Mystik ist ursprünglich neptunischer Natur. Es ist – liest man in z.B. christlichen Schriften – das „Herz als Ort der Innigkeit“, an dem sich die Welterfahrung des Mystikers verwirklicht.

„Du musst aus dir selber in dich selber gehen: Da liegt und wohnt die Wahrheit, die niemand findet, der sie in äußeren Dingen sucht. […] Der Mensch soll Gott nicht als etwas betrachten, das außerhalb von ihm ist, sondern als sein Eigentum und als das, was in ihm ist. Denn das Reich Gottes ist in uns. Und was ist das Reich Gottes? Das ist Gott selbst mit seinem ganzen Reichtum.“ (Meister Eckhart)

Die Gotteserfahrung des Mystikers richtet sich weniger auf einen im Außen gedachten Gott, als auf ein Licht im eigenen Innen. Die Sonne (das Herz) als Symbol des Lichtes ist Gott. Ich selbst bin göttlich. Die Erfahrung des Höheren Selbst gehört ebenso hierhin wie der Prozess der Individuation – paradoxerweise ist der Weg über die Selbstfindung der Weg zur eigenen Ganzheit und damit zur Verbindung mit allem, was Nicht-Ich und Wirkliches ist. Das Welt-Ich wird zum Selbst-Sein; dies gehört zum Weg des Menschen. Erst wenn er diesen beschritten hat, kann er ermessen, was Selbst-Losigkeit bedeutet und daran gehen, es aufzugeben bzw. zu überwinden.

Das lateinische Wort mysticus bedeutet ‚unbeschreiblich, unaussprechlich, geheimnisvoll‘. Die Wurzel des Wortes Mystik liegt im griechischen Verb myein (Adjektiv mystikos). Es bedeutet, Augen und Lippen zu schließen.

Von den griechischen Mysterienkulten ist in der modernen abendländischen Tradition nicht Vieles erhalten geblieben. Nach einer Definition der mittelalterlichen Schultheologie ist Mystik cognitio Dei experimentalis, die Erkenntnis Gottes aus der Erfahrung. Mystiker erfahren das  wahre Selbst, haben das Gefühl, mit allem Lebenden eins zu sein. Ihr Ego ist vergangen, sie erleben intensive Freude und Glückseligkeit aus dem Inneren, gefolgt von Phasen tiefer Dunkelheit in der Seele und dem Eindruck der Leere und Verlassenheit. (weiterlesen hier.)

Doch bis es soweit ist:

„Individuation bedeutet: zum Einzelwesen werden, und, insofern wir unter Individualität unsere innerste, letzte und unvergleichbare Einzigartigkeit verstehen, zum eigenen Selbst werden. Man könnte ‚Individuation‘ darum auch als ‚Verselbstung‘ oder als ‚Selbstverwirklichung‘ übersetzen.“

„[…] Das Selbst aber begreift unendlich viel mehr in sich als bloß ein Ich: es ist ebenso der oder die anderen wie das Ich. Individuation schließt die Welt nicht aus, sondern ein.“ (Carl Gustav Jung)

In den 90er Jahren fanden mich Kontakte zu Sufis und Derwischen. Die Sufis im Islam, der in der exoterischen Ausführung diesseitig und eine mit vielen Regeln im Gemeinschaftlichen irdisch verhaftete (also stierhafte) Religionsform ist, sind der Tür in eine andere Welt ohne Ego (nicht zu verwechseln mit ICH oder SELBST), im Vereintsein mit dem Großen Ganzen, sehr nahe. Je mehr ich mich einlas und darin einließ, desto mehr gefielen mir die Methoden der dynamischen Meditation. Ein Zazen oder eine  andere „bewegungsbefreite“ Variante der Meditation waren für mich ungeeignet. – Eine dieser dynamischen Meditationen sind die Derwischtänze, die wiederum eine intensivierte Form des ∫ikr-Gebetes (Gottesgedenken) darstellen, von dem es zwei Hauptgruppen gibt – das Herzstück der sufischen Praxis. Neptun: Derwischtänze sind fließend, nicht zuckend. Das ist Welle, keine Zick-Zacklinie, die dem Takt und nicht dem Rhythmus entspräche.

Derwische tragen bei ihren Tänzen ein langes, weites Gewand aus Leinen, es symbolisiert „das Ego als Leichentuch“. Im Sufismus geht es (hier nur grob skizziert) darum, dieses Ego abzulegen. Das Ego (nicht im Sinne z.B. Freuds oder Jungs Psychologie) ist aber nicht die Übersetzung des Wortes Nafs, das soviel wie Seele heißt. Die Triebe der „niederen Seele“ sind Hass, Neid, Gier und noch andere und diese entsprechen dem Ego; diese Triebe führen zu Bösem, verführen die Menschen. Nur dann, wenn wir dieses Ego „beiseite legen“, können der Geist und die Liebe Gottes empfangen werden und sich die Seele zu Höherem erheben. Die Nafs kennt drei verschiedene Zustände:

  1. die Seele, die nachdrücklich das Böse gebietet
  2. die Seele, die sich reumütig um Umkehr und Streben nach mehr Vollkommenheit bemüht
  3. die Seele, die endlich Ruhe gefunden hat

Der sufische Mystiker „nutzt“ das Medium Trance ebenso intensiv wie der christliche. Für einen Sufi gehört sie zu seinem Leben. Der Tanz, das Drehen, ist das Aus-sich-selbst-Heraustreten, das beim Tanzenden eine Entladung bewirkt. Wer die Nähe zu Gott sucht, leert sich von allem Weltlichen und findet im Tanz seine Ruhe. Dadurch entsteht noch mehr Nähe zu einer Liebe, die seinen Geist schärft, das Verständnis stärkt und zur Vereinigung mit der Wahrheit führt. Beim Drehen um die eigene Achse mit einem Arm gen Himmel gestreckt und den anderen zur Erde gerichtet, tritt aus dem eigenem Körper heraus der Zustand des Mystikerlebens – die Erkenntnis vom universellen Wesen des Daseins (einem Satori-Erlebnis wie im Zen-Buddhismus nicht unähnlich) – ein. Kind lieben es, sich um sich selbst zu drehen. Sie haben keinen bewussten, aber einen unbewussten Zugang zum Ursprung des Lebens. Das Drehen habe ich als Erwachsene zeitweilig wieder praktiziert. Es wirkt, aber nur wenn es keine bloße Ausübung als Vorgang ist. Was leider von vielen nicht verstanden wird.

Exkurs – Die 5 Tibeter

Übung 1 – Das Drehen

Grundstellung:
Die Füße etwa hüftbreit auseinander aufstellen. Die Handflächen weisen leicht nach vorne. Die Kniee sind ganz leicht gebeugt, nicht durchgedrückt. Das Becken wird nach vorne gekippt und “aufgerollt”, die Wirbelsäule ist aufrecht, das Kinn (ganz leicht) angezogen, der Nacken lang. 

Ausführung:
Zum Drehschwung werden die Arme angewinkelt, die Handflächen aneinander gelegt, die Fingerspitzen sind in Augenhöhe. Einige ruhige, ganz bewusste Atemzüge machen. Dann die Arme nach unten sinken lassen und anschließend ausbreiten. Die Arme seitlich ausgestreckt, weisen die Handflächen nach unten, die Finger sind aneinander, die Konzentration reicht bis in die Fingerspitzen. Jetzt beginnen wir uns zu drehen. Die Augen müssen beim Drehen unbedingt offen sein – das beugt dem Schwindel vor. Wenn man einen Punkt an der Wand fixiert und den Blick darauf ruhen lässt, sich dreht und dann erst den Kopf „mitnimmt“, ist der Schwindel, sollte er doch eintreten, erträglich. Je nach „Stufe“, drehen wir uns nun mindestens 5mal, aber maximal 21mal um die eigene Achse – im Uhrzeigersinn, was einer zentrifugalen oder gegen den Uhrzeigersinn, was einer zentripetalen Energie entspricht. Je nachdem, was ich möchte.

Abstoppen:
Die Endstellung entspricht der Ausgangsstellung. Wieder langsam-ruhige, ganz bewusste Atemzüge. Die Arme lassen wir langsam sinken. Die Handflächen weisen leicht nach vorne. Falls wegen der anfangs ungewohnten, hohen Sauerstoffversorgung doch einmal Schwindel aufkommen – legt man sich hin und die Beine hoch.

Ausprobiert? Damit zurück zum Thema – wir waren beim Mystikerlebnis als Ausdruck der Entdeckung des Höheren Selbst. Spiritualität heißt „Ausrichtung des Lebens auf die Erfahrung einer höheren Wirklichkeit“ – was nicht im Widerspruch zu dem steht, was zuvor von C.G. Jung über die Individuation zitiert wurde. Karlfried Graf Dürckheim, der wohl als einer der Pioniere fernöstlicher Spiritualität in Europa bezeichnet werden kann, hat die Beschreibung in einen nicht unbedingt leicht verständlichen Satz gefasst:

Spiritualität ist die Transparenz zum immanent Transzendenten.“

Wenn wir hinter die Begriffe schauen, wird klar werden, dass wir es mit dem Prinzip des Neptunischen (dem wir uns uranisch nähern) zu tun haben.

  • Es gibt eine (höhere) Wirklichkeit, die das Verstehen und das sinnlich Wahrnehmbare übersteigt – das ist die Transzendenz (Gott, das Göttliche).
  • Dieses Transzendente ist allem innewohnend. Gott allein im Himmel zu vermuten, ist zu eindimensional. Vielmehr ist das Göttliche in allem anwesend – das ist immanent.
  • Das immanent Transzendente erfährt der, dessen Denken durchlässig wird und der dadurch den Ruf der Seele verspürt – das ist die Transparenz.

Neptun – Prinzip der Mystik und der Mystiker. Das Zeichen Fische ist der Ort der Auflösung, die Ablösung vom Vordergründigen, das Wahrnehmen der Hintergründe. Fisch/Neptun reagieren nicht – sie lassen gewähren, sie sind die Gewissheit und die Identität mit dem Wirklichen. – Das Wasser in den „freien“ Ozeanen und das gebundene als organisches Leben im Menschen entsprechen einander. Was im Menschen das Blut (vgl. Fritsche, 1984) ist in unserer Welt das Meer. Die Blutflüssigkeit entstammt der ozeanischen Nacht, deren Gebieter Neptun ist (das Eisen im Hämoglobin färbt das Blut rot – das ist Mars). Die Meeres-Spiritualität ist ganz sicherlich eine andere als die Luft-Spiritualität. Inwiefern?

Uranus‘ Anteil an ‚Spiritualität‘

Bevor wir zu den Nerven und dem Nervensystem kommen. Schritt zur Seite. Spiritualität (ob neptunischer oder uranischer Färbung) und Sucht/Suche sind – um überflüssigerweise und noch etwas zusammenhanglos daran zu erinnern – nur hauchfein voneinander entfernt. Beides (in unterschiedlichen Graden) ist im Sozial-Gemeinschaftlichen und in moralbestimmten Gesellschaften geächtet. Denn sowohl spirituelle Menschen wie auch süchtige sind nur schwerlich instrumentalisierbar im Sinne des Phänomens und der Welt der Realitäten mit ihren Regelungen und Übergriffen. Sowohl Sucht als auch „Spiritualität“ im vordergründigen Sinn können eine  Flucht bedeuten.

Das Wort Spiritualität leitet sich von spiritus = lat. Geist oder Atem ab. Beides wird man eher nicht in einem Wasserzeichen wie dem Fisch vermuten, sondern im 11. Haus des Luftzeichens Wassermann. Die Luft. Der Atem. Das Atmen, fortdauernd und ständig neu geschöpft.

Der Atem ist die weichste und härteste Funktion des Leibeslebens. Ein idealer Atem ist ein Hauch, kein Blasebalg.“ (H. Fritsche, Der Erstgeborene – ein Bild des Menschen, 1984)

Der Atem sei dieser „Erstgeborene“ vor dem Entstehen von Lunge und Herz, den rhythmischen Organen, lesen wir bei Fritsche. Wir hören oft, die Haut sei unser größtes Abgrenzungsorgan zwischen Innen und Außen – aber auch die Lungenbläschen grenzen ab und lassen durch. Da ist eine innere und eine äußere Atmung mit dem entsprechenden Gasaustausch. Ohne Blut allerdings bzw. ohne den Transportstoff Hämoglobin kann der Atem seine physiologische Aufgabe nicht erfüllen.

Sprache und das Wort sind Atemwerk… sie werden vom Atem, älter als Hirn und Hand, getragen. Das Wort (Bestandteil, Ausdruckspotential von Sprache) wiederum trägt den Geist, der den Menschen durchströmt, durch ihn hindurch tönt, ihn zur Persona macht.

„Ich denke, also bin ich“ – René Descartes hat damit sagen wollen, dass den Menschen in seinem Sein das Denken ausmacht. Dem Luftzeichen Wassermann wohnt diese Gleichheit von Sein und Denken inne, und so leuchtet ihm auch der philosophische Rationalismus, der alle Fragen dieser Welt mit dem Verstand ergründen will, ein. Der Wassermann fühlt sich mit einer rationalen Lebensphilosophie, die schnörkellos und intellekt-betont ist wohl und meint, alle Probleme durch je eigenes Nachdenken lösen zu können. Unabhängigkeit von anderen Menschen und deren Meinungen ist sein Anliegen. Das Denken schließt nun das Zweifeln (Descartes nennt auch das ‚dubito‘ in einem Atemzug) ein: der Hinnahme bzw. der Gewissheit ist damit eine Trennung auferlegt.

Querverweis. Reihenfolge. Katholisch erzogen bin ich geprägt vom Ritual des Kreuzzeichens „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“ – und W. Döbereiner hatte recht, als er anmerkte, dass da etwas verdreht sei: Der Sohn (Saturn) steht verrücktermaßen und einige Konsequenzen nach sich ziehend vor dem Heiligen Geist (Uranus) – wenn wir jetzt einmal vom Christlichen ausgehen – dabei müsste es so herum heißen: „Im Namen des Vaters, des Heiligen Geistes und des Sohnes“ – dann wäre die Ordnung des IV. Quadranten wieder hergestellt. – Das Luftige, der Atem, der das Geistige (Feuer) trägt, steht zwischen dem Neptunisch-Auflösenden und dem Saturnisch-Strukturgebenden.

Wie dem auch sei – der „Heilige Geist“ hat seine eigene Spiritualität, und diese ist eine andere als die des „Vaters“. – Doch jetzt müssen wir uns von der Religion lösen, denn die Religion des Wassermann/Uranus ist die A-Religion. Wir treten in ein Weltbild ohne Gott ein. Am Rande. Die heutige, als auf den Menschen angewandte Betrachtungsschablone, Psychologie – maßgeblich von Freud beeinflusst – ist bereits nahezu gottlos, ebenso wie die heutige Theologie – maßgeblich von der Aufklärung beeinflusst – nahezu völlig seelenlos ist. Die Psychologie beschäftigt sich mit der Psyche – der Seele des Menschen, und darin hat „Gott“, das Göttliche, keinen Raum. Schauen wir, was wir unter Uranias Musen-Einfluss über Uranus-Seelen finden.

Wassermann. Es geht ums Strömen. Vom ungeteilten Prinzip hinein in die Erscheinung auf körperlicher Ebene. Das Meer, das Blut – neptunisch. Die Luft, der Atem – uranisch. Der Höhenunterschied, die beiden Gehirne – uranisch. Beide Hirne sind ans Rückgrat, das zwei wichtige Aufgaben inne hat – die Aufrichtung zu ermöglichen und die Nervenleitungen zu schützen –  gebunden. Der sympathische Grenzstrang zieht sich längs der Wirbelsäule durch den Körper und „endet“ im Gehirn im Schädel, dem Cerebrum. Das Nervengeflecht, der Solarplexus, unser Bauchhirn, liegt in Magenhöhe auf der Wirbelsäule. Das Rückgrat ist älter als der Schädel, die im embryonalen Rücken hineingefaltete Anlage des Nervensystems älter als das differenzierte Hirn. Denken wir einmal in die Richtung der wassermännischen Vernetzung, und an die Irritierbarkeit, den Reiz, die Unruhe und die Nervösität – dann ist der Bezug zum Nervlichen deutlich. Die Art der Reize, die von außen her den Organismus treffen – ruft im Zentralen Nervensystem Bewegungen hervor. Zu leben, heißt zu antworten. Das Hirn ist das Organ des Antwortens auf Reize, die von außen kommen. (zusammengefasst nach Fritsche, medizinisch nachzulesen im Pschyrembel)

Seele, diesmal nicht im sufischen Sinne. Ihr Sitz ist das Sonnengeflecht. Sensation: endlich gefunden. Das Gehirn der Seele ist der Sympathikus. (Das Gehirn des Geistes ist das Cerebrum.) Bereits erwähnter Herbert Fritsche formuliert zwei Pole: den Bios/die Psyche und den Logos als überbiologisches Erkennendes. (Logos hier ausdrücklich nicht der im Sinne von W. Döbereiner, der ihm den Mythos gegenüberstellt.)

Und noch zwei Gegenspieler. Im autonomen Nervensystem (Teil des Nervensystems, weitgehend der willkürlichen Kontrolle entzogen, „autonom“) läuft – ausgehend vom Hirnstamm neben dem Sympathikus-Strang auch der Parasympathikus durch den Körper – beide mit dem ZNS in Verbindung, aber nur auf Umwegen von dort beeinflussbar. Ersterer ist für die Arbeitsleistung der inneren Organe, die Bewegungstätigkeit, mithin für die Anspannung zuständig. Letzterer gewährleistet als Antagonist Entspannung und Erholung. Der Sympathikus verstärkt die Herzleistung, erhöht den Puls und den Blutdruck – der Parasympathikus verlangsamt den Herzschlag, senkt den Puls. Im übergeordneten uranischen Prinzip des Nervalen waltet eine neptunische Kraft. Der Parasympathikus kommt uns als der vereinende, der Sympathikus dabei als der ausschließende, trennende Partner entgegen.

Die Rolle der beiden liest sich bei W. Döbereiner folgendermaßen: Das Sympathikotone ist bei ihm dem Saturnischen zugehörig. Wenn ein Sonne/Saturn zum Symptom wird, muss der, der die Konstellation trägt, über die Maßen fleißig sein, muss immer etwas „schaffen“ und sich brauchbar zeigen, um in der Herde akzeptiert zu werden. Er ist sympathikoton und lässt den Parasympathikus (das Unbewusste, Fließende) nicht zu. Er kann die Dinge nicht laufen lassen und schlecht entspannen. Die Zugänge zum Unbewussten sind verstopft, es stellt sich eine sachlich-neutrale und skeptische Haltung (ähnlich wie bei Saturn/Merkur = ortloser Skeptizismus) ein.

Zurück zu Seele (wie gesehen bipolar, nicht drei-stufig wie die Nafs) und Geist. Und hier offensichtlich wieder eine Hierarchie: Das Hirn (als Sitz des Denkens die höhere Instanz des Sympathikus) ist der Seele übergeordnet. Diese wiederum dem Stofflich-Materiellen. Die Überwindung oder die Herbeiführung der Trennung. Wir brauchen noch ein zweites Luftiges – denn der Geist ist feurig. Das Bewusstsein, korrespondierend mit Waage und Venus, mag uns das Pendant dazu werden. In der Waage finden wir die Bildaufnahme und überhaupt die Bildempfänglichkeit, den dualen Ausgleich in Harmonie – und das Denken.

Viel geschrieben. Zwischenhalt im Hochlager kurz vorm Gipfel. Nach allem Zusammengefundenen will mir scheinen, dass in der neptunhaften Musik (Musik als Reiz von außen) das Finden einer „neptunischen Spiritualität“ die Aufhebung einer Trennung und die Überwindung von Spaltungen bedeutet. Rhythmisches Fließen, eingeleitet und ausgelöst von Bewegungen oder Rezitieren, verteilt sich gleichmäßig überallhin. Die Wellen im Wechsel von Anrollen und Wegrollen. Ein Wollen reicht dort nicht hin, bin ich auch am Anfang noch voller Absicht, mich einzulassen, gewähren zu lassen – vergeht selbst dieses Wollen. Selbstvergessen bin ich wach. Es ist die Vereinigung mit dem Kosmos – in mir selbst. Insofern eine Bewegung von außen-oben nach innen-unten – wobei das keine Hierarchie, lediglich die Richtung anzeigt. Religiös-mystisch ausgedrückt: ich nehme das Höhere (Verborgene), über mich Hinausgehende in meiner Seele auf und werde damit … Teil und doch Ganzes.

Das Höhere hat seinen Ort in mir selbst – und es ist nicht körperlich – soweit können wir es formulieren. Das „mystische Herz“ – Ort der Erleuchtung – ist allerdings nicht das Sonnengeflecht. Der Geist wiederum (nicht identisch mit dem Höheren), der im Nervensystem und innerhalb dessen vom Kopfgehirn aus wirkt, ist das Helle. Achtung: Hypothese. Dort, wo Bilder sind, herrscht das Helle; das Dunkle, Verborgene hat keine Bilder. Der Weg zur neptunischen Spiritualität führt aus dem Dunkel ins Helle und zur Vereinigung; der Weg zur uranischen Spiritualität geht vom Hellen zurück ins Dunkle. Das Dunkel ein Zustand des Getrenntseins?

Musik, die uns auf „uranischer Bahn“ erreicht, löst die in uns liegende Erkenntnis aus, dass Seele und Geist nicht identisch sind – was zunächst einen Schmerz verursacht. Im nächsten Impuls will ich den Schmerz vermeiden. Ich will ihm – ob ich das weiß oder nicht – entkommen, weshalb ich mich entscheiden muss. Schaltet sich der Kopf aus, übernimmt der Bios, das Materiell-Körperliche, ich verliere das Bewusstsein und falle in Schlaf; die unwillkürlichen Bewegungen kontrolliere ich nicht mehr. Schlafende Ich/Selbst-Losigkeit scheint mir ein Zustand der uranischen Geistigkeit zu sein. Von Mystik im neptunischen Sinne wenig, das Verborgene/Wirkliche im Innen unerkannt und unzugänglich. Kein Gott.

„Das Blut ist wirklich ein „ganz besonderer Saft“. Denn es ist derjenige Saft, welcher, wenn wir ihn aus dem menschlichen Leibe entfernen könnten – was innerhalb der irdischen Bedingungen nicht geht -, so daß er noch Blut bliebe und durch die anderen physischen Agenzien nicht vernichtet würde, dann als Geist aufwirbeln würde. Damit nicht das Blut als Geist aufwirbele, damit wir es so lange, als wir auf der Erde sind, bis zum Tode in uns behalten können, deshalb muß es vernichtet werden. Daher haben wir immerwährend in uns: Bildung des Blutes – Vernichtung des Blutes, Bildung des Blutes – Vernichtung des Blutes und so weiter durch Einatmung und Ausatmung. Wir haben einen polarischen Prozeß in uns. Wir haben diejenigen Prozesse in uns, die längs des Blutes, der Blutbahnen laufen, die fortwährend die Tendenz haben, unser Dasein ins Geistige hinauszuleiten. Von motorischen Nerven so zu reden, wie dies üblich geworden ist, ist ein Unsinn, weil die motorischen Nerven eigentlich die Blutbahnen wären. Im Gegensatz zum Blut sind alle Nerven so veranlagt, daß sie fortwährend im Absterben, im Materiellwerden begriffen sind. Was längs der Nervenbahnen liegt, das ist eigentlich ausgeschiedene Materie; der Nerv ist eigentlich abgesonderte Materie. Das Blut will immer geistiger werden, der Nerv immer materieller; darin besteht der polarische Gegensatz.(Rudolf Steiner, GA 293, S. 36ff)

Rudolf Steiner und Herbert Fritsche können in diesem Zusammenhang als „sich einig“ – was sie sonst nicht gewesen sein sollen – gelesen werden, und ich halte fest: wir haben es mit einer Metamorphose von Kräften zu tun – in Hinblick auf Menschwerdung oder -entwerdung. Doch – halt – bevor dies jetzt in einer Abrechnung ausartet – einen Schritt zurück zur uranisch-basierten, elektronischen Trance-Musik, mit der ja mittlerweile die Jungen wie selbstverständlich aufwachsen. Dazu ein Abstecher zum (herbeigewünschten, erhofften) Wassermannzeitalter.

Age of Aquarius

 

Aquarius

When the moon is in the seventh house
and jupiter aligns with mars
The peace will guide the planets and love will steer the stars
this is the dawning of the age of aquarius
the age of aquarius
aquarius
aquarius
harmony and understanding
sympathy and trust abounding
no more falsehoods or derisions
golden living dreams of visions
mystic crystals revelations
and the minds true liberation
aquarius
aquarius
when the moon is in the seventh house
and jupiter aligns with mars
then peace will guide the planets
and love will steer the stars
this is the dawning of the age of aquarius
the age of aquariusa
quarius
aquarius
Songtext aus Hair: Aquarius

Fischezeitalter – Wassermann-Zeitalter. Die Schattenseiten des Neptunprinzips – von ihnen war zugegebenermaßen nicht die Rede – zeigen (wie um vom Uranus-Prinzip er- und abgelöst zu werden): Unsere Gesellschaft ist mehr und mehr zu einer Scheinwelt (Stichwort ‚moderne Medien‘) geworden und zu einer Suchtgesellschaft, auch Such-Gesellschaft, die etwas Verlorengegangenes sucht? Schein im Sinne von Erscheinung wie auch Paralyse im Uranus-Neptun. Phänomen und Realität stehen der Wirklichkeit zur Seite, sogar gegen sie.

Auf der einen Seite meinen nun viele eine Renaissance des Spirituellen und der Seele feststellen zu können (wobei – wie gesehen – vielen nicht klar ist, wovon sie da sprechen) und atmen zuversichtlich auf. Andererseits handelt es sich nicht selten lediglich um eine spirituelle Maskerade des Ego und eine Selbsttäuschung. Damit lässt sich sogar viel Geld verdienen. Moderner Ablasshandel ohne Gott.

Ob schon da oder erst sich ankündigend… Nach Auffassung – liest man – vieler Esoteriker und Okkultisten, Theosophen und New-Age-Anhänger befinden wir uns seit der zweiten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts im Wassermannzeitalter. Etliche andere gehen sogar davon aus, dass dieses Zeitalter bereits mit der Französischen Revolution begann. Ursprung ihrer Argumentation ist die Annahme, dass ungefähr alle zweitausend Jahre der Frühlingspunkt in ein neues Sternbild wandert, wobei zur Zeit um die Geburt Christi der Wechsel in das Sternbild Fische und der Beginn des dem Wassermannzeitalter vorangehenden Fischezeitalters erfolgt sein soll. Die Wanderung des Frühlingspunktes läuft rückwärts durch die Sternbilder.) Rudolf Steiner wiederum  (Anthroposophische Astrologie) legte den Beginn des Wassermannzeitalters allerdings weiter in die Zukunft, seiner Lesart nach dauert das derzeitige Fischezeitalter noch bis 3573 n. Chr.

Was bedeutet das nun? Was charakterisiert dieses heraufdämmernde Wassermannzeitalter? – Zuallererst findet sich das Versprechen, es werde eine Ära des Nonkonformismus und des Individualismus (mit diesem könnte es jedoch auch ein egoistisches Denken bedeuten, oder?) sein. Eigenschaften wie Toleranz, Offenheit und Weltbürgertum wohnen ihm inne. Der Teamgeist des Wassermannzeitalters werde sich nicht nur in Forschung und Wissenschaft innovativ auswirken, der neue Zeitgeist werde auch die gesamte Menschheit erfassen. Die Ära fördere eine weltweite Vernetzung und Globalisierung, schaffe die Basis dafür, die Probleme der Menschheit weltweit gemeinsam anzugehen. Ob mit diesem Zeitalter auch das Ende der Kriege kommen wird, wie Optimisten meinen, kann man nicht vorhersehen, es spricht derzeit sogar einiges dagegen. Und ehrlich? – Das sind alles schöne Plaketten, hinter die wir schauen müssen, denn – wo viel Licht, da ist auch viel Schatten. Ich jedenfalls habe den Verdacht, dass wir eher aus dem Begeisteten zurück in ein Körperliches zurückfallen, das – wie oben beschrieben – in einem Schlafzustand nurmehr unmittelbar reagiert.

Nun gut. In solch große Zusammenhänge vermag ich zwar hineinzudenken. Ich kann mir auch etliches durch- und erlesen – wie in den ganzen Absätzen, die Sie gerade gelesen haben, getan. Doch komme ich schließlich auf die eine Ebene zurück, die Ebene des „kleinen“ Lebens – unseres Uns-Selbst-Zusammenlebens in den kleinen Rhythmen, von denen ich noch einigermaßen sicher sagen kann: ich kenne mich aus. Mir ist klar, dass wir die großen Rhythmen als Ringe in uns tragen (das in den letzten Jahren viel beschriebene Virus des „shifting-baseline-Syndroms“ kann einen Astrologen nicht infizieren) und wir auf ihnen werden und geworden sind – doch wie leben die Menschen heute ihr Erbe? Und wie sehen ihre Leitbilder aus? Was ihr Leitstrahl? Wie sieht ihre Wahrnehmungsverzerrung aus?

New Age-Musik und die vier Quadranten

Komme ich doch jetzt endlich zur Musik nach all dem Vorgerede. Seit Anfang der 70er Jahre boomten bereits per Synthesizer eingespielte Kompositionen. 1972/73 betrat dann einer die Bühne bzw. sein Musikstudio und nahm ganz „Seltsames“ auf. Sein Vorgehen? Er mischte – in Alleinregie –  in vielschichtiger Weise verschiedene musikalische Stile mit verschiedenen Instrumenten auf mehreren Tonspuren. Im Zentrum standen jeweils ein Thema mit wechselnden Taktarten. – Gustav Mahler hätte sich gefreut, wenn er eine solche Tontechnik zur Hand gehabt hätte … seine Idee des Fernorchesters, mit dem er einen Raumeffekt hervorzubringen in der Lage war, wies bereits in diese Klangentwicklungsrichtung. Mahler – fällt mir dazu noch weiter abschweifend außerdem ein – kam in seiner 6. Sinfonie (ich schrieb darüber) mit drei pointierten Hammerschlägen aus, um daran zu gemahnen, wie verquer und verquält ein/das Leben sein kann – so ein Trommler der Klangarbeitermusik hämmert an- und ausdauernd, und gibt den Takt der Gegenwart, in die sich die darauffolgenden Klänge dann einfügen oder auch nicht, vor.

Vier Jahre später hatte Jean-Michel Jarre seinen Durchbruch mit dem Album Oxygène, das bis 2003 in weltweit 12 Millionen Exemplaren verkauft werden konnte. Jarres wie auch die Musik von Mike Oldfield haben bis heute kaum an Wirkung eingebüßt und sind als ein „Transportmittel zu den unerforschten Tiefen der Seele zu sehen“ (Die künstlichen Paradiese: Rausch und Realität seit der Romantik, Alexander Kupfer). Sie übernahmen das, was unter psychodelischer Musik (bei gleichzeitigem Drogenkonsum) begonnen hatte: die Transzendenz des rationalen Wachbewusstseins. Es geht um die Tiefen der Seelen, was – wie gezeigt – anderes ist als der Ort des Herzens der Mystiker.

Zu dem religiös-spirituellen Überwinden eines Egos bzw. der kleinen Seele mit der Hinwendung zum All-Einen („Gott“ genannt, das Wirkliche meinend) und dem Darin-Aufgehen, das sodann zu einem Erleben der eigenen Göttlichkeit führen kann und auch soll – ist Anderes getreten. Die Seele im einzelnen Menschen ist nun Schauplatz – um einen Gott geht es in unseren (zumindest in Mitteleuropa) gottlosen Zeiten nicht mehr. Die ungebrochene Beziehung von Mensch und Welt (im Neptunischen), von Subjekt und Objekt, wie wir sie auch aus der christlichen Metaphysik kennen, gibt es nicht mehr. Die Aufklärung mit ihrer Kritik ist dazwischen getreten; und Kritik will alles das voneinander trennen, was nicht zusammengehört. Damit stellt sie keine Harmonie her, sondern schafft „springende Punkte“ mit Abstand und Distanz. Hier der Mensch und dort die Wirklichkeit, der Weg zur Einheit („unio mystica“) wird immer verstellter, schwieriger und unmöglicher – es bedarf immer mehr Hilfsmittel – und mancher vergreift sich sowohl im Hilfsmittel wie im Ziel.

Oldfield und Jarre – zwei von all denen, die dank der ihnen zuarbeitenden Technik ihrer Musik auch Lightshows hinzufügen konnten. Was natürlich zu einem „Ganzkörper“-Erlebnis wird: sichtbar gemachte Musik, die in einem Flow mündet und berauscht. Ich kenne das – wie gesagt.

Exkurs – Frequenzen, Schwingungen

Reiztöne spielen auf den Saiten der Nerven, so entsteht Spannung; der Rhythmus der Musik trifft von außen auf die Grundschwingung unseres Körpers. Das natürliche Verhalten wäre nun die Anpassung. Die besteht darin, mitzuschwingen. Man wird „beschwingt“, das „Tanzbein zuckt“… man fühlt sich wohl. Aber es kann eben auch in einen Kampf der beiden „Systeme“ ausarten. Der Grundrhythmus älterer Leute – die die Konzerte der Klassischen Musik bevorzugen – verändert sich – sie reagieren sensibler auf Interferenzen, diese können dann auch negative körperliche Folgen haben. Heilen und schaden. Wenn im Gehirn Wellen zwischen 13 und 21 Hz dominieren, ist das der normale Alltagszustand, auch Beta-Zustand genannt. Sobald die Frequenz der Gehirnwellen auf unter 8 Hz sinkt (Theta-, unter 3 Hz Delta-Zustand), werden Selbstheilungsvorgänge gefördert. Dann „scannt“ das Gehirn den Körper, um durch die Reaktion mit entsprechenden Botenstoffen die Reparatur anzuregen. 

Die Rolle der Lautstärke in der Musik ist die des Kämpfers. Lautstärke ist Schalldruck, also eine Kraft. Der Bass ist der Taktiker – er erzeugt tiefe Schwingungen und breitet sich dadurch diffus aus. Der Hörer kann die Schallquelle weniger leicht erkennen. Reine Sinustöne tiefer als 120 Hz sind vom menschlichen Gehör schwerer, Töne tiefer als 80 Hz überhaupt nicht in ihrer Herkunftsrichtung lokalisierbar, wohl aber deren Impuls bzw. deren Phase. Lautstärke und Bass zusammen erzeugen Manipulation, der man ab einem bestimmten Grad ausweichen möchte. 

Musik ist Schall. – Wenn eine Lautsprechermembran nur langsam schwingt, strahlt sie einen tiefen Ton ab, also ein Brummen; wenn sie sehr rasche Schwingungen ausführt, entsteht ein hoher Ton, also eher ein Pfeifen. Die Anzahl Schwingungen pro Sekunde ist die Frequenz in Hertz, abgekürzt Hz. 1000 Schwingungen pro Sekunde entsprechen einem Kilohertz (kHz). Jede Verdoppelung der Frequenz nehmen wir als einen Oktavsprung wahr > 6.
Der internationale Stimmton a’ (Stimmgabel) liegt bei 440 Hz, die ersten Töne des Radiozeitzeichens haben eine Frequenz von 1000 Hz (1 kHz) > 6, 5. Ton.
Der Pfeifton des Fernsehbildschirms (Ton abgedreht) hat etwa 15750 Hz (16 kHz) > 6, 9. Ton. Unter den Musikinstrumenten weist die Kirchenorgel den größten Tonumfang auf: von 16 oder 32 Hz bis über 8 kHz 7.

Tiefe Frequenzen werden nicht nur über die Ohren wahrgenommen, sondern mit dem ganzen Körper – auch Gehörlose können diese Schwingungen wahrnehmen und daher zum Takt tanzen. Bereits im Mittelalter hat man sich die Basswirkung bei den Orgelstücken in der Kirche zu Nutze gemacht: Tiefe Bässe haben etwas Ehrfurchtgebietendes, weshalb sie nur an ganz bestimmten Stellen eingesetzt wurden.

Höhere Klanganteile dieser Basstöne sind aber bei der Richtungslokalisation hilfreich. Daher ist die weitverbreitete Annahme, dass der Aufstellort der Subbass-Box annähernd egal wäre, vollkommen falsch. Auch ein Subbass muss auf der gleichen Zeit- und Impulsachse spielen, wie die Mittel- und Hochtonlautsprecher.

Tiefe Töne können über große Entfernungen hin erfasst werden. Diesen Umstand machen sich unter anderem Wale bei ihrer Kommunikation zunutze, aber auch das Weitbereichssonar arbeitet auf der Grundlage der Reichweite von tiefen Tönen.

Das Visuelle trägt zur Überwindung des Situationsbewusstseins bei: Musik vom Syntheziser plus der Licht- und Bildeffekte lassen Vordergrund und Hintergrund ununterscheidbar werden. Die Schärfe der Wahrnehmung wird zerstreut, Bilder und Musik vereinnahmen so sehr, dass man das Seiner-Selbst-Bewusstsein verliert – die Trennung zwischen Ich (oder doch Ego?) und Gehörtem/Gesehenem verschwindet. Das Verschwinden einer Trennung ist anderes, als Einigung herbeizuführen. Doch wo ist man dann? (Mir fällt aus mir unerfindlichen Gründen gerade der Pilot Pirx in Stanislav Lems Erzählungen ein.)

Im letzten Monat – jetzt komme ich endlich zum Punkt – also mein Besuch des Konzertes jenes (Achtung! – Neusprech) Musik-Projekts namens Schiller. Kopf des Projekts ist derzeit Christopher von Deylen, inzwischen vom Mitbegründer getrennt und auch neu orientiert. Eine Beschreibung seiner Musik liest sich so:

Vielseitigkeit und Aufgeschlossenheit gegenüber verschiedensten Genres machen seinen Stil aus. Mittels modernster Studio-Technik laden sphärische Klangteppiche ein zum Verweilen, dezente Beats animieren zum Mittanzen, dann und wann eingeflochtene Weltmusik-Elemente erweitern den eigenen Kosmos. Schiller-Songs erinnern oft an mit Pastellfarben aufgetragene Klanggemälde in Cinemascope. (Quelle: http://www.laut.de/Schiller)

(Die Sprache muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.) Sowohl die Bilder als auch die Musik an sich kommen sauber, distanziert, schwerelos daher. Das hat seinen Reiz, klar. Der Raum wird weit und frei – die Welt zeigt sich aus der Vogelperspektive, wir fliegen mit. Statt auf Instrumenten mit Klangkörpern aus be“greif“barer Materie, die von Menschen zum Klingen gebracht werden und deren Zusammenspiel eines Organisators bedarf, der die Struktur und die Komposition interpretiert, wird der Hauptteil der Musik der neuen Art aus vorgefertigten Happen montiert. Ein monumentales Mischpult mit vielen Knöpfen darauf ersetzt das Orchester. In den meisten Knöpfen dieses Mischpults wohnen die Klänge. Andere Knöpfe sind für die Lautstärke oder die Frequenz oder die Klangfarbe zuständig. Der Bediener der Knöpfe ist der Zeremonienmeister, aber eigentlich kommt er mir wie ein zwischen ihnen herumspringender Klangarbeiter vor.

Das Ganze ist ziemlich komplex, keine Frage. Was die Musiker da hervorbringen, braucht viel Vorarbeit und Verknüpfungsintelligenz, und über allem: Sie müssen bei der Vorführung reibungslos funktionieren. Die strombetriebenen Retorten-Klangkombinationen – zerebral…  die Töne gehen ins Gehirn – und schalten Nerven an oder eben aus. Was zeigt sich, wenn man es ebenso zerebral betrachtet, wie man es hören kann? – Erst wurde die Anwesenheit (von Instrumente spielenden Menschen und des Herzens) überwunden, über das Abwesende geht es nun ins Unwesen. Aufhebung von Leben? Dazu passt doch die Aufhebung der Grenzen – zwar erhalten die im Strom der Töne kaum noch unterscheidbaren Abfolgen unterschiedliche Titel, aber um Sätze wie in einer Sinfonie mit erkennbaren Themen, handelt es sich nicht. – es gibt weder Dur noch Moll als Differenzierung von Befindlichkeit und die Klänge kommen in Gruppen, meistens zu viert, fünft gemeinsam.

Immer noch hören Leute Klassische Musik und besuchen Konzerte. In Variationen ist sie doch grundsätzlich und mehr Neptun-Saturn-(Jupiter-)-Musik mit der Suche nach dem Uranus, der den Lebenshauch, und auf ihm den Geist bringt oder bringen soll. Die Uranus-Neptun-Musik, deren Anfänge und Ausläufer die in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts Geborenen begleitet hat, ist Zeichen eines vollzogenen Paradigmenwechsels. Aufklärung ist nicht Erleuchtung. Die vermeintliche, fortschrittliche „Herrschaft“ des Verstandes hat uns ärmer als zuvor zurückgelassen. als nächste Stufe bleibt uns Neptun-Pluto-Musik, doch dazu ein andermal.

Jetzt mögen manche anmerken – zu Recht – warum denn von den Planeten des III. und  IV. Quadranten die Rede ist – und nicht von jenen der anderen beiden. Nicht schwer zu beantworten: Im III. Quadranten – nach Wolfgang Döbereiner und der Münchner Rhythmenlehre – ist der Geist zu finden. Der ist der bewirkende Urgrund, der dem Stoff (im Falle von Musik die Töne) als Potenz innewohnt. Hier liegen die Bilder der Gestalt, die Ideen – er ist der Anstoß von Außen. Im IV. Quadranten finden wir die Wirklichkeit als bestimmenden Urgrund. Das Bewirkende dort, das Erwirkte hier.

Das Bewirkende – Waage – Skorpion – Schütze – bedeuten die Vorstellbarkeit des Wirklichen, sind aber nicht identisch mit dem Wirklichen. Sie sind das Außerpersönliche.  Steinbock – Wassermann – Fische sind die erzeugte Wirklichkeit (unbeabsichtigbar) und gehen über das Persönliche hinaus.

Auf dem Bewirkenden von Musik und dem von der Musik Erwirkten lag mein Schwerpunkt. Aber natürlich sind der I. Quadrant ebenso anwesend wie der II. – Letzterer ist das Seelische – das Subjektive mit der Bewegung aus sich heraus, ersterer beinhaltet die Räumlichkeit, das Reale – hier ist der Sitz des Egos, das in seiner Raumergreifung, Raumsicherung und -erkundung sichtbar wird. Der „seelische Quadrant“ beherbergt die Identität des Lebens als Ich: es behaust einen Raum, herrscht über diesen und bewahrt ihn vor Gefährdung, indem er wahrnehmend vor Gefährdung von außen warnt.

Insofern „Musik“ erzeugt wird – wirkt sie. Diese Wirkung beruht auf der Auswahl der Instrumente als reale Klangräume und der Seele, die diesen Instrumenten innewohnt. Diese Instrumente bedürfen eines Außen, das sie zum Klingen bringt – einem Musiker, der sie erweckt… und damit eine Bewegung in einem anderen im Außen – dem Hörer hervorruft. Der kann über die Gestaltwerdung der Klänge in und an sich über Ihn-Hinausgehendes erfahren. Im neptunischen Sinne erfährt er Gewissheit und Hintergründiges, erlebt eine Identität mit dem Wirklichen (Über-Ich), im uranischen Sinne erfährt er eine Entfernung von sich und, dass es eine Aufhebung der Zentrierung und der Zeitlichkeit gibt, seine Ich-Grenzen verschwinden. Im saturnischen Sinne erfährt der Hörer eine Einschränkung und eine Art Erdung. Das geerdete Ich ist Wesentlicherem, Maßstäblicherem untergeordnet, was einer Reduktion entspricht, aber auch einer Konzentration gleichkommt.

Die Planeten der ersten beiden Quadranten spielen natürlich eine Rolle. Welche, sehen wir im letzten Absatz.

Musik im Weltall

Von den komplexen Kompositionen und Klanggebilden, als Transzendenz des Egos (neptunisch) oder als Aufhebung des Bewusstseins (uranisch), hin zu einem einfachen kleinen Lied und einem kleinen, unscheinbaren Instrument. Es wird uns nicht in Trance versetzen, und dass ich darauf gekommen bin, hat lediglich mit einer einzigen Assoziationskette zu tun: Uranus – Fortschritt – Kälte – Weltall – Luft. Doch nochmals ein Einschub an dieser Stelle.

Exkurs

Abgesehen davon, dass Musik allgemein dem Neptun zugeschrieben werden kann, können auf weiteren Ebenen (Orchestrierung, Spielweisen der Instrumente, Charakter der Instrumente) die Prinzipien aller Planetenkräfte zugewiesen werden. Nehmen wir z.B. den Anfang eines Satzes einer Sinfonie und assoziieren wir:

Zu Beginn und als Exposition hören wir einfache, minimalistische Strukturen, ein, allenfalls zwei Instrumente: ein Kontrabass oder ein Cello – Instrument des Alters, wenig Stimmen – die Konzentration im Saturn und in Moll. Die Stimmen werden zu einer Melodie, die mehrfach wiederholt, leicht variiert wird, was Spannung erzeugt. Pluto kommt mit den Flöten oder einer Trommel ins Spiel, er ist der Verdichtende und Insistierende, rhythmisch. Die Spannung wird zurückgenommen, ein Streicher – eine Harfe möglicherweise – mischt sich ein und löst auf: Neptun. Das Thema des Ausgangs wird nochmals aufgenommen, es geht zum Ursprung zurück, doch wird das Thema jetzt kräftiger, drängender und lauter gespielt – Mars treibt an und aus und entdeckt neue Instrumentationen, das Thema wird jetzt von einem Schlaginstrument übernommen, die Tonart wechselt zu Dur. Die Heftigkeit von gestrichenen oder gezupften Geigen in Begleitung von Rasseln oder Becken als Ausdruck von Aggression nimmt ab, wird positiv, die Geschwindigkeit wird herausgenommen – Neptun versöhnt und führt zur Einigung von Trommel zu Tamboura. Die aufgeregten Geigen sind beruhigt. Ein Klavier setzt ein und verlangsamt den immer noch erhöhten Pulsschlag weiter. Doch das Klavier ist auch ein „Schlaginstrument“ – ausdrucksstark, sonnenhaft. Die Waage-Venus bringt Harmonik und Harmonie, die Krebs-Violine spielen kleine, vielleicht volkstümliche Melodiesplitter. Harmonie schafft es, auch Gegensätzliches zusammenzubringen. Das Gemüt, in Dur aktiv, aber entspannt, wird von Jupiter – vielleicht einem Fanfaren- oder Posaunen-Aufschrei unterbrochen und jäh gewechselt. Uranus kommt mit einem neuen Thema daher, wirft das Contra hinein, widerspricht Saturn und seiner Exposition. Ist Saturn moll und warm – so ist Uranus scharf und kalt. 

Als Kuriosum hier das Horoskop auf einen Zeitpunkt, an dem zum ersten Mal im Weltall Musik gespielt wurde. Es ist der 16.12.1965. Der Astronaut Walter Schirra hat an Bord der Gemini VI eine „Little Lady“-Mundharmonika von Hohner geschmuggelt – sie ist so leicht, dass sie von den Sensoren der Flugvorbereitung nicht erfasst werden kann. Etwa eine Stunde vor der Landung meldet Schirra ein unbekanntes satellitenartiges, im Steilflug vom Nordpol kommendes Flugobjekt. Er stellt eine Mutmaßung an, um wen es sich wohl handelt und spielt auf der Mundharmonika ein Lied.

Wollen wir das Horoskop auf dieses erste Musikstück aus dem All machen, fehlt uns der exakte Ort, während die genaue Uhrzeit bekannt ist. Walter Schirra begann 23 Stunden 58 Minuten und 03 Sekunden nach dem Lift-Off auf der Mundharmonika zu spielen, was einer Uhrzeit von exakt 13:35:23 GMT entspricht (Quelle der Daten hier). Die Mundharmonika – ein Luftinstrument im luftleeren Raum; ob sie tatsächlich ein Schütze-Merkur/Jupiter-Merkur-Instrument (Instrument des Wanderers auf großer „Fahrt“) ist, werden wir uns auch noch überlegen müssen.

Musik in der Ortlosigkeit an sich? – Die Raumkapsel raste also mit 26.000 km/h (480 Kilometer pro Minute) durch den Orbit. Etwa eine Minute vor dem Ereignis des Mundharmonikaspielens überflog Gemini VI im Umkreis von 200 Kilometern Texas etwa oberhalb der Stadt San Antonio. Auf diesen Ort berechne ich jetzt mal das Horoskop.

Was sehen wir beim ersten Blick – diesmal nicht auf den AC, sondern auf das Erwirkte? Einen Mond in der Waage in Konjunktion zum MC. Da steht er auf einem Gruppenschicksalspunkt von Uranus-Neptun – eine einfache, ja, kindhafte Weise der Harmonie, die von der Entfernung vom realen Ort, der Erscheinung (Wassermann in 2) und der Ablösung der Bewegung in den Umraum (Fische in 3) handelt, die dann doch auf den realen Raum „herunter“fällt als „vom Himmel hoch, da komm ich her“ (Venus in 2). Die Venus steht dabei auf einem Saturn-Mondknoten-Punkt: Was ist eine Glocke als Symbol anderes als das Einläuten einer etwas anderen Ankunft. Hier die maßgebliche Ankunft in einem Aufbruch.

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